Rund vier Millionen Menschen leiden hierzulande unter Depressionen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO ist jeder Zehnte rund um den Globus betroffen. Über die entscheidenden Ursachen der Depression sind sich die Forscher noch immer nicht einig, zu komplex ist unser Gehirn und sein Zusammenspiel mit anderen körperlichen Prozessen. „Mit seinen rund 100 Milliarden Neuronen ist es bis heute weitgehend ein wissenschaftliches Rätsel“, räumt der Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein ein. Für noch mehr Verwirrung sorgen viele Mythen und Irrglauben zum Thema Trübsinn. Hier einige der hartnäckigsten „Falschaussagen“:

1. Ein frohes Gemüt schützt vor Depressionen

Ob „rheinische Frohnatur“ oder tiefsinniger Grübler – vor Depressionen ist niemand gefeilt. „Einen sicheren Schutz davor gibt es nicht“, betont unser Chefarzt. „Allerdings lassen sich die Risiken durch ein funktionierendes soziales Netzwerk mit vielen guten Freunden sowie abwechslungsreichen Hobbys senken.“ Sport und viel Bewegung an der frischen Luft können regelrecht antidepressiv wirken. Und auch ausreichende Entspannung wirkt einem Stimmungstief entgegen. „Hohe Leistungsorientierung oder der Hang zum Perfektionismus können hingegen das Depressions-Risiko erhöhen“, warnt der Experte.

2. Depression ist keine Krankheit

„Im Gegenteil, Depressionen sind eine Volkskrankheit, deren Schwere sehr häufig unterschätzt wird. Im Gegensatz zu Verstimmungen, unter denen viele Menschen vor allem in der trüben Jahreszeit leiden, können Depressionen Monate und Jahre andauern“, erläutert der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Typische Anzeichen einer Depression sind tiefe Trauer, Antriebs- und Hoffnungslosigkeit sowie weitere belastende Beschwerden. Kommt es zu einem extremen Wechsel zwischen depressiven Phasen und Hochgefühlen (Manie), so steckt dahinter eventuell eine Bipolare Störung. Aufgrund des heftigen Auf und Abs der Gefühle wurde dieses Leiden früher auch als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet.

3. Nur sensible Menschen leiden unter Depressionen

Depressionen erleiden keineswegs nur besonders sensible oder labile Menschen. Treffen kann es jeden – Kinder ebenso wie alte Menschen. „Man geht davon aus, dass jeder Fünfte in seinem Leben einmal von einer Depression betroffen ist“, erklärt der Chefarzt. „Bei Männern sind es etwa zehn, bei Frauen um die 25 Prozent.“ Sicher sei, dass nicht nur die genetische Veranlagung eine Rolle spielt. Vielmehr sei das Zusammenspiel bzw. die Wechselwirkung biologischer Faktoren wie Hirnstoffwechselstörungen und psychosozialer Momente wie beispielsweise Jobverlust oder private Trennung entscheidend. Besonders hoch sei das Risiko, an einer Depression zu erkranken, bei Menschen mit körperlichen Leiden.

4. Die Anzeichen von Depressionen zeigen sich rein psychisch

Typische Symptome einer Depression sind unter anderem Niedergeschlagenheit und Trauer, Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwäche. Doch auch körperlich bringt diese psychische Störung nicht selten erhebliche Probleme mit sich. „Manchmal verbergen sich hinter Magen- oder Darmbeschwerden, Schwindel sowie Kopf- und Rückenschmerzen starke Depressionen.“ Fast immer gehen auch Schlafstörungen mit Depressionen einher sowie zuweilen Störungen des Appetits. Es gibt auch sogenannte atypische Depressionen, bei denen Betroffene nach außen hin überhaupt keine Anzeichen einer Depression aufweisen. So erkennen Sie sie dennoch: hier klicken!

5. Depressionen sind stets die Folge schwerer Schicksalsschläge

Tatsache ist, dass der psychischen Erkrankung oft sehr belastende Ereignisse vorausgehen. So können Depressionen nach dem Tod des Ehepartners oder der berufliche Kündigung auftreten. „Doch es ist längst nicht immer der schwere Schicksalsschlag, der uns in ein tiefes Loch fallen lässt“, gibt der Facharzt zu Bedenken. „Auch chronische Überforderungen im Job, kleinere Veränderungen in Beruf oder Familie können Auslöser einer Depression sein.“

6. Antidepressiva verändern die Persönlichkeit

In der Regel umfasst die Behandlung einer mittleren bis starken Depression neben der psychotherapeutischen Unterstützung auch Psychopharmaka, auch Antidepressiva genannt. Diese machen – entgegen vieler Mutmaßungen – nicht abhängig und verändern auch nicht die Persönlichkeit. Eigentlich ist es eher umgekehrt: Dank der Medikamente lässt sich das chemische Gleichgewicht im Gehirn wieder herstellen. Im optimalen Fall ist der Patient anschließend symptomfrei und zeigt keine Anzeichen der Depression mehr.

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7. Depressionen gehen von alleine wieder

Das ist natürlich der Wunsch vieler Betroffener. Doch unbehandelt vergehen Depressionen nicht von alleine. Deshalb sollte spätestens 14 Tage nach Beginn der depressiven Verstimmungen der Hausarzt aufgesucht werden. Dieser kann beurteilen, ob psychologische Hilfe erforderlich ist. Eine therapeutische Behandlung dauert oft Monate. Doch es lohnt sich: „Je früher die Behandlung beginnt, desto schneller und effektiver können die Beschwerden in der Regel behoben werden“, so der Chefarzt. Es komme wieder zu mehr Lebensfreude und psychischer Stabilität. Wiederholungen der depressiven Phasen seien aber nicht ausgeschlossen, so der Mediziner.

Dieser Artikel erschien erstmals am 28. Juli 2016 und wurde überarbeitet.