Kinder und Jugendliche – Teil 1

Burnout? Kein Thema! Denn Kinder haben Energie!
Auf den ersten Blick haben die Themen „Kinder“ und „Burnout“ nichts miteinander gemeinsam. Blicken wir jedoch auf unsere Gesellschaft und unseren Lebensalltag mit Kindern, wird schnell deutlich, dass es sich um einen Trugschluss handelt. Von diesem Trugschluss geht eine verkannte Gefahr aus: Die Gefahr, dass ein behandlungsbedürftiger Burnout zu lange unbehandelt bleibt.

Leistungsdruck, Mobbing und das Gefühl, nicht verstanden zu werden
Der Alltag ist für die meisten Kinder heute gut strukturiert. Bereits im Kindergarten werden Lernprogramme und Entwicklungssysteme genutzt, um Schwächen und Stärken zu definieren. In der Grundschule werden die Weichen für die Zukunft gestellt, die Förderung und Forderung der Kinder mit Nachhilfeangeboten, Freizeitbildung und pädagogisch wertvollen Spielprogrammen unterstützt. So manchem Kind bleibt kaum mehr Zeit zum Spielen, geschweige denn für Langeweile, die im kindlichen Entwicklungsprozess gepaart mit Fantasie zu großartigen Spielideen führen könnte. Die früher schützende Großfamilie, die gemeinschaftlich die Kindheit prägte, ist zumeist reduziert auf die Eltern und Geschwister, von denen jeder seinen vielfältigen Verpflichtungen nachkommen muss.

Statt sich im eigenen Lerntempo und mit individuellen Interessen frei zu entfalten ist das Kind dem schulischen Stress ausgesetzt, verbunden mit dem Notendruck für die bestmögliche Schulwahl beim Wechsel in die weiterführende Schule. Spätestens hier gerät so manches Kind erst recht unter Druck, wenn die persönliche Weiterentwicklung des einzelnen im Rahmen der Pubertät weg vom Gemeinschaftssinn, hin zur Gruppenbildung führt. Mobbing ist in der heutigen Zeit an nahezu jeder Schule an der Tagesordnung. Dabei stehen oft auch die Erwachsenen am Rand des Geschehens und können nur hoffen, dass die Saat der angebotenen Projekte für Teambuilding, Anti-Mobbing-Kampagnen und Gemeinschaftsförderung bei den Kindern und Jugendlichen auf keimfreudigen Boden fällt. Doch wie bereits der Volksmund sagt: „Kinder können grausam sein.“

Psychische Erkrankungen schon im Kindesalter relevant
Die vielfältigen Belastungen wie der eigene Leistungsdruck, die zwischenmenschlichen Einflüsse der Peergroup (Konkurrenz, Mobbing, etc.) oder die individuelle Eigenentwicklung machen den Alltag schon für Kinder schwer. Hinzu kommen mitunter familiäre Belastungen, die bewusst oder unbewusst von der Elternbelastung über die feinen Antennen der kindlichen Psyche einfließen: Arbeitslosigkeit oder hoher Arbeitsstress bei den Eltern, finanzielle Belastungen und Existenzängste, gesundheitliche Probleme und Sorgen bei Angehörigen (z.B. Pflegebedarf der Großeltern) und viele weitere Dinge gehen auch an Kindern und Jugendlichen nicht spurlos vorbei.

Inzwischen gelten 2 bis 4 Prozent der Kinder im Grundschulalter und je nach Quelle zwischen 14 und 30 Prozent der Jugendlichen als von Burnout, Depression, Angststörungen und vergleichbaren psychischen Erkrankungen betroffen. Auffälligkeiten werden als störend für die Tagesabläufe in Schule und Familie erkannt, doch nur eingeschränkt mit einer psychischen Erkrankung in Verbindung gebracht. Häufiger werden Aggressionen, Fehlverhalten aus Langeweile oder Überforderung, Lustlosigkeit aus Demotivation bis hin zur Faulheit in den Mittelpunkt gerückt. Sie gelten als Aspekte der unzureichenden/falschen Erziehung oder werden fremden (schlechten) Einflüssen zugeordnet (Peergroup, Medien u.a.). Die Liste der Wartezeiten für Therapieplätze ist lang, da der hohe Bedarf von Kinder- und Jugendpsychiatern und -therapeuten nur noch schwer gedeckt werden kann. Doch erst hier werden konkrete Zuordnungen möglich, die einen Burnout, eine Depression oder eine Angststörung als Erkrankung erkennen lassen.

Anzeichen für Burnout und Depressionen bei Kindern nicht übersehen
Eltern sind oft die ersten Personen, die Symptome für Burnout und Depressionen wahrnehmen. Aber auch Angehörige, Betreuer, Lehrer und Freunde der Familie sollten bei den nachfolgenden Anzeichen hellhörig werden und das Gespräch mit den Eltern suchen. Fallen mehrere Anzeichen auf, ist das Gespräch mit dem Kinderarzt ein sinnvoller Aspekt, um das Gefahrenpotenzial einzugrenzen und gegebenenfalls präventive oder akut notwendige Schritte einzuführen.

Das Kind
– ist häufiger krank als gewöhnlich, oft mit unklaren Symptomen (Bauch- und Kopfschmerzen),
– reagiert oft gereizt und launisch,
– schläft unruhig, kommt morgens nur unter Schwierigkeiten aus dem Bett,
– ist auch im Alltag oft erschöpft und antriebslos,
– kommt auch mit Entspannungsförderung nicht zur Ruhe (gemeinsames Lesen, Entspannungsbäder, Massagen, Musik)
– zieht sich zurück, beispielsweise von seinen Freunden, der Familie,
– vermeidet aktiv Kontakte, lehnt Kontaktversuche ab,
– wirkt in Gedanken versunken, grüblerisch und / oder abwesend,
– sucht häufig nach Bestätigung und Anerkennung durch vertraute Personen,
– reagiert sehr selbstkritisch, unzufrieden mit eigenen Leistungen, dabei auch kritikunfähig bei Fremdkritik,
– hohe Selbstansprüche und auffallendes Gerechtigkeitsbedürfnis.

In jedem Fall das Gespräch mit dem Arzt suchen sollten Eltern von Kindern, die
– den Sinn des Lebens und den Tod kritisch und nicht altersgemäß hinterfragen,
– selbst-verletzendes Verhalten an den Tag legen (Haut-Ritzen, auffällige Veränderungen im Essverhalten z.B. Magerwahn und Fressattacken mit Erbrechen),
– Suizidgedanken äußern.