Wer im Alter von 35 bis 55 Jahren in der Mitte seines Lebens steht, den erwischt vielleicht eine Midlife Crisis – oder doch Depression? Denn viele der „klassischen“ selbst gesteckten Höhepunkte des Lebens sind dann in der Regel erreicht: beruflicher Aufstieg, Heirat, Kind(er). Nicht wenige verfallen dann in ein oft als Sinnkrise empfundenes Loch. Zu differenzieren, ob man bereits depressiv ist oder sich nur in einer Midlife Crisis mit ’normalen‘ Symptomen befindet, ist oft schwer. Aber möglich.

Was ist eine Midlife Crisis?

Jeder Mensch macht im Leben Krisen durch, häufig beispielsweise nach der Schule und dem Start ins Berufsleben. Nachweislich geraten viele Menschen auch in der Mitte ihres Lebens in eine bedeutsame Krise. Doch für eine Midlife Crisis gibt es empirisch keinen Beweis. Sie ist kein Automatismus wie etwa die Pubertät. Das zeigen verschiedene Studien.

Weshalb ereilt die Midlife Crisis so viele Menschen in den „besten Jahren“?

Viele Menschen zwischen 40 und 50 auf zweierlei Arten eine Zeit des Umbruchs. Zum einen biologisch: Sie stellen fest, dass sich ihr Körper verändert. Muskeln und Haare werden weniger, dafür nehmen Falten und Fettpölsterchen zu. Das ist im Zeitalter eines ausgeprägten Schönheits- und Jugendideals für die meisten beängstigend. Sie erkennen zudem, dass das Leben endlich ist. Oftmals erkranken oder sterben die Eltern, beruflich ist alles erreicht und die Kinder verlassen das Haus. Hinzu kommt natürlich die Angst vor dem Alter, vor eigenen Gebrechen und dem Alleinsein.

Was sind für eine Midlife Crisis typische Symptome?

Die Anzeichen für die Sinnkrise in der Lebensmitte sind nicht einheitlich. Viele grübeln über ihr Leben, trauern verpassten Chancen nach und werden trübsinnig. Oftmals treten in einer Midlife Crisis auch Symptome wie innere Leere und Langeweile auf sowie – insbesondere beim Mann – Unzufriedenheit und Wut. Nicht selten folgen daraus vorschnelle, unüberlegte Entscheidungen wie etwa die Kündigung des Jobs oder die Trennung von der langjährigen Lebenspartnerin. Das Problem: Damit äußert sich eine Midlife Crisis einer Depression sehr ähnlich.

Hier spricht Dr. med. Dirk Greverus, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, im SWR Beziehungspodcast über die Midlife Crisis.

Habe ich eine Midlife Crisis oder eine Depression?

Die gravierenden persönlichen Veränderungen und die sich daraus ergebenden Fragen nach dem Sinn des Lebens lösen während einer Midlife Crisis oftmals Symptome einer Depression aus. Die Betroffenen fühlen sich antriebslos und traurig. Konzentrationsfähigkeit und Schlaf leiden. Doch im Gegensatz zur wissenschaftlich nicht belegten Midlife Crisis handelt es sich bei einer Depression um eine international anerkannte psychische Erkrankung. Leider wird ihre Schwere immer noch sehr häufig unterschätzt.

Wichtig bei den Krankheitszeichen einer Depression: Betroffene erleben langanhaltend eine Antriebslosigkeit und sind niedergeschlagen. Negative Gedankenspiralen und Hoffnungslosigkeit machen sich intensiv breit, beziehen sich aber nicht konkret auf z.B. verpasste Karrierechancen. Depressive Personen gelingt es früher oder später nicht mehr, aus dem Bett zu kommen. Sie können alltäglichen Aufgaben nicht mehr nachkommen. Spätestens dann wissen Sie, dass es sich nicht mehr nur um eine Midlife Crisis, sondern eine Depression in stärkerer Ausprägung handelt.

Welche Rolle spielen Hormone in der Midlife Crisis zur Behandlung?

Die Wechseljahre bedeuten meist nicht nur für den weiblichen Körper eine turbulente und belastende Zeit. Seit Langem ist ein Zusammenhang zwischen Hormonspiegel und Stimmungsschwankungen nachgewiesen. Viele Frauen erleben diese Verstimmungen intensiver, länger und heftiger als in den Jahren zuvor. Studien belegen jedoch, dass „echte“ Depressionen in den Wechseljahren nicht häufiger auftreten als in jungen Jahren. Vielmehr stecken oft Probleme mit dem Älterwerden oder dem Ende der Fruchtbarkeit oder nicht verarbeitete Konflikte dahinter.

Welche körperlichen Symptome kann die Midlife Crisis beim Mann haben?

Auch bei Männern verändert sich der Hormonspiegel etwa ab dem 40. Lebensjahr. Es kommt zu einer gedrosselten Produktion von Sexualhormonen. In der Regel fallen die körperlichen und psychischen Folgen der hormonellen Umstellung aber nicht ganz so gravierend aus wie bei Frauen.

Dennoch stellen sie einen erheblichen Einschnitt dar: Neben Schweißausbrüchen und Schlafstörungen klagen viele Männer in der Andropause – so nennt man die hormonelle Umstellungsphase beim Mann – über Veränderungen wie etwa einen Verlust an körperlicher Leistungsfähigkeit und geistiger Spannkraft, einer verminderten Libido oder Müdigkeit. Hinzu kommen vielfach psychische Beschwerden wie Verstimmungen und höhere Reizbarkeit. Oft leidet auch das Selbstwertgefühl erheblich.

Wie kann ich Positives aus einer Midlife Crisis ziehen?

Statt wehmütig zurückzublicken und über die eigene Vergänglichkeit zu klagen, sollte man ein ehrliches Fazit des bisherigen Lebens ziehen.

  • Was habe ich erreicht?
  • Worauf kann ich besonders stolz sein?
  • Und was steht noch ganz oben auf meiner Liste persönlicher Lebensziele und Träume?

Sehen Sie diese Phase als Zeit des kreativen Wandels und als Chance eines Neubeginns, so steigert das Ihre Lebenszufriedenheit. Begegnen Sie dem Kommenden mit viel Neugierde und Gelassenheit, so ist auch die Zukunft eine positive Herausforderung.

Dieser Beitrag wurde erstmals am 25. November 2019 veröffentlicht und wurde überarbeitet.