Bei bis zu einem Drittel aller Betroffenen soll eine therapieresistente Depression vorliegen, behaupten Statistiken − Standardtherapien schlagen also nicht oder nur unzureichend an. Für Betroffene, deren Ärzte und Angehörige eine enorme Herausforderung! Was also tun, wenn scheinbar keine Behandlung hilft? Hier plädieren wir für einen differenzierten Umgang mit dem Begriff der therapieresistenten Depression: Warum es sich in vielen Fällen eher um eine „unechte“ Therapieresistenz handelt und was von neuen Ansätzen wie der Ketamintherapie zu halten ist, bringt Ihnen der folgende Artikel näher.

Was ist eine therapieresistente Depression?

Nach einer verbreiteten Auffassung liegt eine therapieresistente Depression vor, wenn mindestens zwei Behandlungsversuche mit zwei unterschiedlichen stimmungsaufhellenden Medikamenten (Antidepressiva) in angemessener Dosis und Dauer keinen Erfolg gebracht haben bzw. augenscheinlich keine Wirkung gezeigt haben. Diese Definition ist aber etwas umstritten, weil sie sich rein an der medikamentösen Behandlung orientiert. Dabei gilt eine Kombination von Medikamenten und Psychotherapie heute zumeist als sinnvoller und wirksamer als Tabletten allein.

Lesen Sie dazu mehr in unserem Beitrag: Was wirkt besser: Psychotherapie oder Medikamente?

Wann ist die Behandlung einer Depression erfolgreich?

Aber was bedeutet überhaupt ein Therapieerfolg bei einer komplexen Erkrankung wie einer Depression? Im besten Fall klingen die Beschwerden restlos ab und Betroffene stehen wieder „voll im Leben“. Doch auch ein teilweiser Rückgang der Symptome wird nach gängigen Definitionen bereits als ein Ansprechen auf die Therapie gewertet. Rein pragmatisch bedeutet es für die meisten Betroffenen einen Erfolg, wenn sie ihren Alltag besser bewältigen und wieder mehr Lebensfreude verspüren können.

Wer glaubt, eine therapieresistente Depression zu haben, braucht manchmal einfach mehr Geduld
Bis zum Anschlagen der Behandlung von Depressionen braucht es oft Zeit.

Zu bedenken ist aber: Eine Depression verschwindet auch unter einer erfolgreichen Behandlung nicht von heute auf morgen. Bei Stimmungsaufhellern (Antidepressiva) dauert es der Regel zwei bis drei Wochen, bis sich erste Wirkungen einstellen. Eine Psychotherapie wirkt mitunter erst nach Monaten, weil ihr Erfolg auf einer Veränderung von Gedanken- und Verhaltensmustern beruht.

Therapieresistente Depression oder unzureichend behandelte Depression?

Schon allein aus diesen Gründen kann es problematisch sein, die Therapie des depressiven Patienten vorschnell als „gescheitert“ zu betrachten. Zudem stecken erfahrungsgemäß oft konkrete Ursachen dahinter, wenn eine Behandlung nicht anschlägt, wie etwa:

  • Unzureichende Therapien: Oft war das verordnete Medikament nicht das richtige, wurde vielleicht zu früh abgesetzt, oder Betroffene haben keine zusätzliche Psychotherapie in Anspruch genommen.
  • Psychosoziale Faktoren: Äußere Gründe wie ein ungelöster Partnerschaftskonflikt, Mobbing und Stress am Arbeitsplatz oder fehlender sozialer Rückhalt können die Depression aufrechterhalten und Therapieversuche vereiteln.
  • Begleiterkrankungen: Häufig gesellt sich zu einer Depression auch eine Angst- oder Zwangsstörung, Essstörung oder Suchterkrankung hinzu. Bleiben diese Erkrankungen unerkannt und unbehandelt, dann ist manchmal auch die Therapie der Depression zum Scheitern verurteilt.

In solchen Fällen handelt es sich also nicht wirklich um eine Therapieresistenz, wenn medikamentöse Standardbehandlungen nicht anschlagen. Die Behandlung muss dann beispielsweise durch weitere Verfahren auf eine breitere Basis gestellt werden, damit sie wirken kann.

Welche Hilfen gibt es für Menschen mit therapieresistenter Depression?

Eine therapieresistente Depression ist also keinesfalls eine unbehandelbare Depression! Der Begriff bedeutet nur, dass bisherige Therapieversuche nicht gefruchtet haben. Die Gründe dafür gilt es im ersten Schritt herauszufinden, um die Behandlung zu optimieren. Fast immer gibt es Optionen, die noch nicht ausgeschöpft wurden: eine andere Psychotherapie-Methode, ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik oder zusätzliche psychosoziale Hilfsangebote. Oft bedarf es auch konkreter Veränderungen im beruflichen oder privaten Bereich, um der Depression den Nährboden zu entziehen.

Wir wissen: Wenn Sie unter Depressionen leiden − und das vielleicht seit längerer Zeit − fällt es Ihnen wahrscheinlich schwer zu glauben, dass positive Veränderungen möglich sind. Gefühle wie Hoffnungslosigkeit oder Hilflosigkeit sind aber gerade Symptome der depressiven Erkrankung. Deshalb ist es bei längeren oder schwierigen Behandlungsverläufen umso wichtiger, dass Außenstehende wie Ärztinnen oder Therapeuten mögliche Wege aufzeigen und Hoffnung vermitteln.

Was ist von neuartigen Behandlungen wie der Ketamintherapie zu halten?

Medizin und Forschung suchen laufend nach neuen Behandlungsmöglichkeiten, um Menschen mit Depressionen besser helfen zu können. Als große Hoffnung wird in den Medien derzeit die Ketamintherapie gehandelt. Ketamin ist eigentlich ein Schmerz- und Narkosemittel, hat aber auch antidepressive Effekte. Studien zufolge sollen bis zu 70 Prozent aller Menschen mit einer therapieresistenten Depression auf die Ketamintherapie ansprechen. Der große Vorteil: Ketamin zeigt im Unterschied zu herkömmlichen Antidepressiva sehr rasch seine Wirksamkeit. Betroffene fühlen sich meist schon nach der ersten Anwendung besser, was gerade bei hohem Leidensdruck oder Suizidgedanken enorm wertvoll ist.

Gibt neue Hoffnung bei Depressionen, die Ketamintherapie.
Bei der Ketamintherapie wird das Ketamin über eine Infusion verabreicht.

Allerdings ist die Wirkung meist nicht von Dauer. Die Substanz hat außerdem gewisse mögliche Nebenwirkungen, durch die sie sich für manche Menschen weniger gut eignet. Betroffene sollten auch wissen: Die Therapie wird momentan nicht ohne Weiteres von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Im Akutfall (Suizidalität) wird die Ketamingabe im Rahmen einer stationären Behandlung erstattet, ohne Vorliegen einer akuten Suizidgefahr (also „nur“ zur Therapie einer Depression) jedoch nicht. Kostenlos zugänglich ist die Ketamintherapie daher meist nur im Rahmen klinischer Studien, ansonsten muss das Medikament privat bezahlt werden.

Fazit: Wie umgehen mit einer therapieresistenten Depression?

Eine therapieresistente Depression stellt alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen. Als Betroffene oder Angehörige sollten Sie sich von diesem Begriff aber nicht mutlos stimmen lassen: Es gibt leichter und schwieriger zu behandelnde Depressionen, aber fast immer sind positive Veränderungen möglich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und mögliche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Auch neuartige Therapieformen wie die Ketamintherapie sind als Ultima Ratio möglich, wenn herkömmliche Behandlungen keinen Erfolg gebracht haben.