Wie kann man Ängste überwinden, und ab wann sollte man sich professionelle Hilfe suchen? Denn in den letzten Jahren taumeln wir gefühlt von einer Krise in die nächste: die Erderwärmung, deren Folgen wir auch hierzulande immer mehr spüren, dann die Pandemie, im Februar der Angriff auf die Ukraine. Das schürt Ängste und Zukunftssorgen. Lesen Sie hier, wie man einen guten Umgang mit verstörenden Nachrichten findet und an welchen psychischen und körperlichen Symptomen Sie eine Angststörung erkennen.

Angst vor Krieg & Co: ein ganz normales Gefühl

Angst gehört zu unserem ganz normalen Gefühls-Repertoire und ist per se nichts Schlechtes. Als biologisch angelegtes Alarmsystem bewahrt sie uns mitunter vor lebensbedrohlichen Gefahren. Es ist daher weder möglich noch sinnvoll, sämtliche Ängste zu überwinden! Die Furcht vor Krankheitserregern etwa hat einen ganz realen Hintergrund und hilft uns, angemessen auf die Gefahren zu reagieren. Erst wenn Angstgefühle uns innerlich vereinnahmen oder lähmen, wenn sie die Stimmung verdüstern und zu Dauerbegleitern werden, sollte man etwas dagegen tun.

Worin unterscheiden sich reale und krankhafte Ängste?

„Normale“ Ängste und Sorgen weisen uns auf reale Bedrohungen hin. Pathologische oder „krankhafte“ Ängste dagegen haben oft eher wenig mit echten Gefahren zu tun. Wenn sich die Angst verselbständigt und man sich vor Situationen fürchtet, die für andere Menschen ganz normal sind, spricht man von einer Angststörung. Sie kann in unterschiedlichen Formen auftreten:

  • Bei spezifischen Phobien fürchten sich Betroffene vor ganz bestimmten Dingen oder Situationen, etwa vor Spinnen, Nadeln oder Hunden.
  • Andere leiden unter einer Panikstörung, bei der es zu plötzlich auftretenden Anfällen von extremer Angst kommt. Typisch für diese Form der Angststörung sind im Vordergrund stehende körperliche Symptome wie Atemnot und Herzrasen, die Betroffene oft als lebensbedrohlich interpretieren.
  • Bei der generalisierten Angststörung weiten sich Angst und Sorgen auf zahlreiche Situationen und Lebensbereiche aus. Betroffene wissen meist, dass ihre Ängste übertrieben sind, und machen sich auch Sorgen über ihre andauernde Besorgtheit.

Welche körperlichen Symptome weisen auf eine Angststörung hin?

Sehr oft verursacht eine Angststörung auch körperliche Symptome, die sehr unangenehm sein können. Typisch sind Beschwerden wie:

  • Herzrasen
  • Atemnot, Erstickungsgefühl
  • Schwitzen
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer
  • Schwindel oder Benommenheit
  • Schmerzen oder Druck in der Brust
  • Mundtrockenheit
  • Übelkeit oder Bauchschmerzen
  • Harn- oder Stuhldrang
  • Erröten
Schweißausbrüche sind ein mögliches Symptom einer Angststörung

Bei der generalisierten Angststörung treten körperliche Symptome oft weniger intensiv, dafür aber anhaltend auf. Betroffene leiden beispielsweise unter chronischen Muskelverspannungen, Magen-Darm-Beschwerden oder Schlafstörungen.

Haben Angststörungen zuletzt zugenommen?

Dramatische Ereignisse wie die Pandemie oder der Krieg in Europa gehen vielen Menschen nahe. Sich darüber Sorgen zu machen ist normal und hat noch keinen Krankheitswert. Dennoch dürften gesellschaftliche Krisen Angststörungen begünstigen – darauf deuten neueste wissenschaftliche Studien hin. Laut deutscher NAKO-Gesundheitsstudie sollen Angstsymptome und Depressionen im ersten Corona-Jahr 2020 um 1,5 bis 2,4 Prozent zugenommen haben. Als Ursachen vermuten die Autoren in erster Linie berufliche und finanzielle Schwierigkeiten. Überproportional betroffen sind offenbar Jugendliche und junge Erwachsene, wie die aktuelle Studie „Jugend in Deutschland“ nahe legt: Unter den 14- bis 29-Jährigen gibt fast jede/r Zweite an, dass sich die Pandemie negativ auf die eigene psychische Gesundheit ausgewirkt hat.

Habe ich eine Angststörung? Das Video der Stiftung Gesundheitswissen erklärt den Unterschied zwischen normaler Angst und Angststörung anschaulich.

Angst vor Krieg & Co: Wann brauche ich professionelle Hilfe?

Doch wo verläuft die Grenze zwischen „normaler“ und krankhafter, behandlungsbedürftiger Angst? Die Übergänge können fließend sein. Wer ohnehin zu Ängsten neigt, steckt beunruhigende Nachrichten oft schlechter weg als jemand mit einer stabilen psychischen Verfassung. Professionelle Unterstützung durch einen Arzt, eine Ärztin oder Psychotherapeutin ist jedenfalls dann angemessen, wenn:

Bei Stellen Sie Symtome einer Angststörung bei sich fest, sollten Sie sich Hilfe suchen
  • Sie große Teile des Tages über Ihre Ängste und Sorgen nachdenken.
  • Ihre Lebensqualität sich dadurch deutlich verschlechtert hat.
  • Sie aufgrund der Ängste Probleme im Beruf haben.
  • Ihre Partnerschaft dadurch belastet ist.
  • Sie Ihre Ängste und Sorgen mit Alkohol oder anderen Drogen zu bekämpfen versuchen.

Haben Sie eine Angststörung? Unser Test kann Ihnen einen ersten Hinweis geben.

Wie kann ich meine (normalen) Ängste überwinden?

Bei den meisten Menschen nehmen Ängste zum Glück nicht derart breiten Raum ein. Normale, nicht krankhafte Ängste lassen sich mit diesen Strategien gut auf einem erträglichen Niveau halten oder sogar überwinden:

1. Unsicherheit akzeptieren

Ob Pandemie oder Weltpolitik: Vieles können wir weder selbst kontrollieren noch vorhersehen. Der Wunsch nach absoluter Sicherheit ist zwar verständlich, aber leider eine Illusion! Das zu akzeptieren ist ein erster Schritt, um Ängste zu überwinden – oder zumindest weniger unter ihnen zu leiden.

2. Aktiv werden

Dennoch gibt es Teilbereiche, die wir beeinflussen können. Viele Menschen benutzen etwa dem Klima zuliebe öfter das Fahrrad oder versuchen, weniger Fleisch zu essen. Andere engagieren sich ehrenamtlich oder mit Spenden für Geflüchtete aus der Ukraine. Diese Aktivitäten geben uns das Gefühl der Kompetenz und Handlungsfähigkeit zurück und tragen so dazu dabei, Ängste zu überwinden.

3. Achtsamer Medienkonsum

Zwar hilft es nicht, die Augen vor der Realität zu verschließen. Wer aber ständig und ungefiltert verstörende Nachrichten konsumiert, tut seiner Psyche nichts Gutes. Informieren Sie sich daher über die Geschehnisse in der Welt, aber vermeiden Sie exzessiven Medienkonsum.

4. Auszeit von der Krise nehmen

Ein gewisses Ausmaß an „bewusster Verdrängung“ fördert die psychische Gesundheit. Gönnen Sie sich daher einen entspannten Kinoabend, ein Gläschen Wein mit Freunden, einen Thermenbesuch – oder was auch immer Ihnen Freude macht und positive Gefühle hervorruft.