Wenn der Darm verrückt spielt, Sie an Schwindelattacken leiden oder immer wieder Rückenschmerzen haben, stecken nicht zwangsläufig organische Ursachen dahinter. Denn oft spiegeln sich in körperlichen Symptomen psychische Belastungen wider. Warum das mit Einbildung nichts zu tun hat, und wer Ihnen bei psychosomatischen Beschwerden hilft, lesen Sie hier!

Ich erzähle Ihnen mal etwas Privates. Und nein, das ist kein Storytelling, das ist nicht ausgedacht. Nach meinem Abitur zog ich mit meinem Freund nach Berlin. Die Beziehung ging schnell in die Binsen und trotzdem lebten wir weiter zusammen. Ich war todunglücklich und fühlte mich allein. In der kurzen Zeitspanne von nur neun Monaten hatte ich drei Bindehautentzündungen und tägliche Herzrhythmusstörungen. Als ich wieder zurückkam, war alles wie weggeblasen.

Als ich viele Jahre später in einem Unternehmen zu arbeiten begann, musste ich in einigen Aufgaben für die Teamassistenz einspringen. Denn diese war monatelang wegen massiver Magen-Darm-Beschwerden krankgeschrieben. Immer wieder hörten wir von der Ratlosigkeit der behandelnden Ärzte, eine Diagnose folgte der nächsten. Sogar von Darmkrebs war die Rede. Sie konnte nichts essen, nichts bei sich behalten, hatte Schmerzen. Wollen Sie raten, was es war? Burnout.

Zur Infografik:
Psychische Erkrankungen wie etwa Burnout, Depressionen u.a. sind bei weiblichen Arbeitnehmern der häufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit, dicht gefolgt von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, die bei männlichen Arbeitnehmern auf Platz 1 stehen. Hier dürften allerdings auch typische psychosomatische Beschwerden wie Rückenschmerzen enthalten sein, die seltener als solche diagnostiziert werden. Das verwundert nicht: Frauen haben statistisch eine höhere Bereitschaft, sich in psychotherapeutische Behandlung zu begeben und gehen generell häufiger zum Arzt.

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Wie häufig sind psychosomatische Beschwerden?

psychosomatische Beschwerden sind häufig: jeder dritte Deutsche leidet an Schwindel, Kopfschmerzen und Rückenschmerzen

Gerade unsere Teamassistentin dürfte mit ihren Problemen ein Paradebeispiel dafür sein, was noch immer zu viele als Einbildung abtun: psychosomatische Beschwerden. Dabei leidet jeder dritte Deutsche an ihnen. Besonders häufig zum Beispiel an Schwindelgefühlen, „Magen-Darm“, aber auch Kopf- und Rückenschmerzen. Knapp 40 Prozent der Fälle von Frühverrentung sind psychisch bzw. psychosomatisch bedingt. Dass uns ein Vorkommnis „auf den Magen schlägt“ oder bei großer Aufregung neben der Psyche auch der Darm verrücktspielt, kennt wohl jeder.

Was sind psychosomatische Beschwerden und woran erkenne ich sie?

Von psychosomatischen Beschwerden spricht man, wenn körperliche Beschwerden wie etwa an Magen und Darm, Schwindel oder Schmerzen keine organischen, sondern psychische Ursachen haben. Die Diagnosestellung erfolgt also in der Regel häufig erst, wenn alle körperlichen Ursachen ausgeschlossen wurden. Für Schwindel-Attacken wären das zum Beispiel Störungen des Gleichgewichtsorgans, Kreislaufprobleme, Infekte oder Nervenentzündungen. Gibt es diesbezüglich keine Auffälligkeiten, heißt das aber nicht, dass sich Betroffene ihre Beschwerden einbilden oder simulieren. Vielmehr können – je nach Zusammenspiel von biologischen, psychischen und sozialen Faktoren – unbearbeitete Konflikte, Traumata und Belastungen wie steigender Stress und ein hoher Leistungsdruck Magenprobleme & Co. auslösen. Und der Stress wird auf der Suche nach Heilung nicht weniger.

Wer behandelt Schwindelattacken und Magen-Darm-Beschwerden?

Häufig wenden sich Betroffene, die an sich Schwindelgefühle oder anhaltende Verdauungsprobleme feststellen, zur Klärung organischer Ursachen zuerst an Internisten, HNO-Ärzte & Co. Das verlängert den Leidensweg bei psychisch bedingten Symptomen – wie auch damals bei besagter Kollegin. Erst wenn alle körperlichen Ursachen ausgeschlossen wurden, geraten die Patienten schließlich an die „richtige“ Adresse, also Fachärzte für psychische Leiden. Gleichzeitig können auch bestimmte körperliche Beschwerden Ängste auslösen und zu depressiven Verstimmungen führen. Auch in diesem Fall ist der Gang zu einem geeigneten Psychiater oder Psychotherapeuten angeraten. Knapp 3.000 Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie behandeln in Deutschland ambulant Schwindelattacken, Kopfschmerzen und Ähnliches, indem sie die psychischen Ursachen dafür suchen und therapieren. Weitere 1.000 Fachärzte für Psychosomatische Medizin arbeiten stationär zum Beispiel in einer Klinik für Psychosomatik, aber auch in interdisziplinären Einrichtungen. Eine Behandlung kann zudem bei Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie erfolgen, die ebenfalls auf psychosomatische Beschwerden spezialisiert sind.

Wie werden psychosomatische Beschwerden therapiert?

Grundsätzlich gelten psychosomatische Schmerzen und Beschwerden als gut behandelbar. Am Anfang jeder Psychosomatik-Therapie steht eine ausführliche Anamnese, um den bisherigen Krankheitsverlauf zu erörtern und mögliche seelische Ursachen zu identifizieren. Darauf baut die individuelle Behandlung im Nachgang auf. Selbst wenn Symptome nicht völlig für immer verschwinden sollten, lassen sich die Beschwerden in den meisten Fällen deutlich bessern.

Depressionen und Magenprobleme können zusammenhängen und werden mit Psychotherapie behandelt

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin: Die Erkenntnis des Betroffenen, dass sein Körper versucht etwas zum Ausdruck zu bringen, was die Psyche nicht kann. Erst dann ist der Weg dafür frei, jene unbewusste seelische Konflikte bzw. psychische Belastungen zu ermitteln, die sich hinter den körperlichen Symptomen verbergen.

Mit welchen Methoden arbeitet die Psychosomatik?

Auch Depressionen und Burnout können sich in körperlichen Symptomen äußern und sich auf den Darm auswirken. Bei der Behandlung der jeweiligen organischen Beschwerden – egal ob Schwindel, Rücken- oder Kopfschmerzen – kommen daher Verfahren wie Verhaltens- oder tiefenpsychologische Psychotherapie zum Einsatz. In einigen Fällen ist die medikamentöse Unterstützung z.B. durch Antidepressiva sinnvoll.

Sind die Beschwerden so stark ausgeprägt, dass ein normaler Alltag kaum noch möglich ist, oder spricht der Patient auf eine ambulante Behandlung nicht ausreichend an, empfiehlt sich der stationäre Aufenthalt in einer speziellen Klinik für Psychosomatik beziehungsweise einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Im Rahmen einer ganzheitlichen Therapie werden dort auch ergänzende Verfahren wie Kunst-, Ergo-, Musik- und Bewegungstherapie oder Entspannungstechniken angewandt.

Ebenso wie körperliche Beschwerden durch Erkrankungen der Psyche wie z.B. Depressionen verursacht werden können, tritt eine Depression mitunter infolge bestimmter organischer Prozesse auf. Klicken Sie hier, um den ganzen Artikel dazu zu lesen!

Was kann ich selbst tun gegen psychosomatische Schwindel-Attacken, Magen-Darm-Probleme und Rückenschmerzen?

Schwindelattacken und Darmbeschwerden lassen sich gut behandeln

Wenn eine völlige Symptomfreiheit nicht mehr möglich ist, zielt eine Therapie darauf ab, mögliche Schmerzen zu reduzieren und zu einem anderen Umgang mit ihnen zu finden. Denn dass seelische Belastungen zu körperlichen Reaktionen führen, ist ein grundsätzliches Muster. Da (besonders chronischer) Stress eine häufige Ursache für Schwindelattacken und Magen-Darm-Beschwerden ist, lohnen sich Strategien zur Stressbewältigung. Entspannungstechniken wie Yoga, Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training und Meditation können dabei helfen. Ein Schmerztagebuch verschafft einen Überblick über mögliche Zusammenhänge von Symptomen und ihren Auslösern.

Speziell Rückenschmerzen können auch dann noch Folge von Leistungsdruck, Konflikten und psychischen Belastungen sein, wenn die Diagnose Ihres Orthopäden oder Allgemeinarztes „funktionelle Rückenschmerzen“ lautet: etwa bei Fehlhaltungen, Blockaden und schmerzhaften Muskelverspannungen oder -verhärtungen. Neben Psychotherapie können Massagen, Entspannungsübungen und regelmäßige Bewegung helfen.

Dieser Artikel wurde überarbeitet und erschien erstmals am 19. Februar 2018.