Die Burnout-Entwicklung in Phasen

Wenngleich sich die Symptome eines Burnouts schleichend entwickeln, gibt es typische Phasen der Krankheitsentwicklung, die sich unabhängig von der individuellen Situation des Betroffenen wiederholen. Als der New Yorker Psychotherapeut Herbert Freudenberger seinen eigenen Gesundheitszustand als einen „Burnout“ deklarierte, notierte er seinen Krankheitsverlauf in Zusammenarbeit mit seiner Kollegin Gail North. Gemeinsam erarbeiteten sie im Laufe ihrer Arbeit eine Entwicklungsbeschreibung, aus der sich 12 typische Krankheitsphasen herauskristallisierten. Die Reihenfolge der Phasen kann in einzelnen Bereichen variieren, mündet ohne die Krankheitserkennung und Behandlung jedoch meist in einem chronischen Erschöpfungszustand, der das Leben des Betroffenen nachhaltig und dauerhaft beeinträchtigt.

Zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der Krankheitserkenntnis liegt oft ein langer und beschwerlicher Weg. Der Betroffene kann diesen jedoch durch die Auseinandersetzung mit der Thematik und der Akzeptanz des Burnouts als Erkrankung sowie dessen Behandlungsbedarf häufig verändern.

Die Burnout-Entwicklung in typischen Phasen

Wunsch nach Selbstbestätigung 
Der Wunsch, sich selbst und/oder anderen die eigenen Fähigkeiten und das individuelle Leistungspotenzial unter Beweis zu stellen basiert meist auf einer persönlichen Unsicherheit. Dabei muss es sich nicht grundlegend um ein mangelhaft ausgeprägtes Selbstbewusstsein handeln. Es reichen bereits herausfordernde Lebensumstände oder -situationen, die eine kurzfristige Schwächung des Selbstbildnisses auslöst. Oft steht die Bemühung im Raum, eine vermeintliche oder vorhandene und erkannte Schwäche durch hohes Engagement und Leistungsbereitschaft kompensieren zu wollen.

Hohe Selbstansprüche, Leistungsstreben und Enthusiasmus
Um dem Wunsch nach Selbstbestätigung und dem positiven Gefühl des Erfolges näher zu kommen, entwickelt der Betroffene in dieser Phase oft ein großes Leistungsstreben, dem er hohe Selbstansprüche zur Seite stellt. Mit Enthusiasmus und Leidenschaft „brennt“ er/sie für seine Tätigkeit (beruflich oder privat), bemüht sich dabei jedoch um höchstmögliche Perfektion in jedem Lebensbereich. Kein Aspekt darf in seinen/ihren Augen „zu kurz“ kommen. Die Selbsteinschätzung zu Leistungsfähigkeit und persönlichem Energiehaushalt beginnt zu leiden.

Überspielen der Situation, Übergehen der eigenen Bedürfnisse
In dieser Phase beginnt die Zuversicht und die Leidenschaft für die Tätigkeit bzw. das Gesamtkonstrukt zu bröckeln. Die eigenen Bedürfnisse zur Regeneration werden zurückgestellt, die persönlichen Belastungsgrenzen immer häufiger überschritten. Das Erkennen von Problemen wird abgewehrt, entstehende Konflikte hingegen nicht akzeptiert. Parallel dazu beginnen die Leistungsfähigkeit und die Konzentrationsfähigkeit zu leiden. Selbstzweifel keimen auf und führen zu ersten Momenten mit Frust und Ärger, der jedoch vorrangig im Inneren gehalten wird.

Überarbeitung bis über die eigenen Belastungsgrenzen hinaus
Die Steigerung der zuvor aufgekommenen Phase mündet in einer verstärkten Vernachlässigung von persönlichen Bedürfnissen. Die Erschöpfung steigert sich sowohl durch fehlende Regeneration als auch durch die inzwischen regelmäßige Überschreitung der eigenen Belastungsgrenzen. Ein langsameres Arbeiten/Agieren ist dem Betroffenen/der Betroffenen nicht möglich, stattdessen werden soziale Kontakte und Vorlieben hinten angestellt.

Verleugnung und mentale Überforderung
Immer häufiger tritt die Überlastung zu Tage und zeigt sich in einem Absinken von Kritikfähigkeit und Toleranz gegenüber eigenem und fremdem Perfektionsmangel. Das Entstehen und Ausbreiten von Problemen werden verleugnet. Mentale Überforderung und innere Unruhe führen mitunter zu dem Versuch, diese durch Überaktivität zu kompensieren.

Selbstzweifel und Grübeln – Hinterfragen der eigenen Prioritäten
Die verringerte Leistungsfähigkeit startet eine gedankliche Negativspirale. Selbstzweifel und Zweifel am eigenen Wertesystem führen zu Schwermut und Grübelei. Zuvor wichtige Dinge des Lebens wie Kontakte, Hobbys und andere Aktivitäten werden in ihrer Priorität herabgestuft, der verringerten Schaffenskraft durch Verstärkung der Anstrengung entgegnet. Das Selbstbild verschiebt sich, die Eigenwahrnehmung steigert den „inneren Kritiker“ in eine überhöhte Erwartungshaltung.

Sozialer Rückzug 
Die Veränderung der Priorisierung von Aspekten des früheren Lebens (Freunde, Familie, Hobbys etc.) wird gesteigert und führt zu einer Erweiterung des inneren Rückzugs nach Außen. Das persönliche Umfeld wird auf ein Minimum reduziert, die sozialen Kontakte auf das Nötigste beschränkt. Auch eine deutliche Abkehr von Freizeitbeschäftigungen, Hobbys etc., ist häufig.

Erkennbare Verhaltensänderungen, weiteres Absinken der Gefühlswelt
Der innere Rückzug wird äußerlich deutlich. Das weitere Absinken in eine negative Gefühlswelt zeigt sich mitunter auch in Selbstvernachlässigung, alternativ mit einer hohen Konzentration auf äußere Perfektion als Kontrast zum Innenleben. Kontaktaufnahmen werden teils gereizt und aggressiv abgewehrt, es steigern sich Gefühl von Wertlosigkeit, Unfähigkeit und zunehmender Ängstlichkeit.

Distanzierung, Depersonalisierung 
Der Betroffene distanziert sich immer mehr von seinem Umfeld, aber auch von seiner eigenen Gefühlswelt. Das Leben wird zunehmend auf wesentliche Alltagsabläufe reduziert bis hin zum reinen „Funktionieren bei Unvermeidbarkeit“. Es zeigt sich eine weitere Reduzierung der Leistungsfähigkeit, bis selbst die Anforderungen des Alltags nicht mehr bewältigt werden können.

Verzweiflung und Versuch der Ablenkung
Die aufkommenden Gefühle von innerer Leere und Verzweiflung werden verdrängt. Oft zeigt sich die Suche nach Ablenkung durch „Betäubung“ der Gefühlswelt durch Steigerung im Bereich der Sexualität, dem Essverhalten oder dem Missbrauch von Genussmitteln wie Alkohol und Drogen (Gefahr der Suchtentwicklung).

Auftreten von Depressionen und Angstzuständen
Der unbehandelte Burnout entwickelt sich in dieser Phase hin zu einem chronischen Verlauf. Er verwandelt sich in eine Depression mit klassischen Symptomen körperlicher wie mentaler Beschwerden. Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit können ebenso auftreten wie Angstzustände und Panikattacken.

Scheinbare Ausweglosigkeit – Suizidgefahr
Bleibt auch die entstandene Depression ohne fachkundige Unterstützung, kann eine überbordende Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit Suizidgedanken auslösen, weil kein Ausweg aus der bestehenden Situation heraus mehr erkannt wird. Es besteht eine hohe Akutgefährdung für einen psychischen und/oder physischen Zusammenbruch.

Stufenlose Übergänge bis hin zur Suizidgefährdung

Die Übergänge der einzelnen Phasen einer Burnout-Erkrankung gehen fließend ineinander über. Bedenken Sie jedoch, dass zu jeder Zeit die ärztliche Unterstützung den problematischen Verlauf der Erkrankung stoppen kann. Erkennen Sie Symptome einer Burnout-Erkrankung bei sich oder nahestehenden Angehörigen, zögern Sie nicht, auf die Gefahr zu reagieren, damit eine frühzeitige Behandlung den Burnout stoppen kann.