… war es, das Marie Maschke faszinierte und vor rund 10 Jahren dazu motivierte nach ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin zusätzlich Motologie an der Philipps-Universität Marburg zu studieren. Seit 2018 ist sie als Motologin und Physiotherapeutin in der Schlosspark Klinik Dirmstein beschäftigt. Ihre Freude an der Bewegung und die Faszination für die Wechselwirkungen zwischen Psyche und Körper sind seitdem stetig gewachsen. Wir sprachen mit der 37-jährigen über ihren Beruf, die Schlosspark Klinik Dirmstein und Sport im Allgemeinen.

Was genau fasziniert Sie an Ihrem Beruf bzw. der Tätigkeit in der Schlosspark Klinik Dirmstein?

Bereits im Studium habe ich die Arbeitsfelder „Klinik Erwachsene“ als auch „Gesundheitsförderung“ vertieft. Eine Entscheidung, die ich bis heute nicht bereut habe. Ich mag den Umgang und die Begegnung mit Menschen. Im Klinikkontext – insbesondere im psychosomatischen und psychiatrischen Bereich ist man viel näher am Patienten dran; man erlebt den Menschen mit all seinen unterschiedlichen Geschichten und Schicksalen. Viel tiefschichtiger, als das beispielsweise im orthopädischen oder chirurgischen Kontext der Fall ist. Der Auftrag ist auch ein vollkommen anderer. Die Patienten sind hier zwischen sechs und zwölf Wochen – wir verbringen viel Zeit gemeinsam, von den Therapieeinheiten bis zu Begegnungen im Haus. 

Sport-Begeisterung, die ansteckt

Es ist bestimmt sehr spannend, zu sehen, wie sich die Patienten in dieser Zeit entwickeln…

Das ist es definitiv. Es ist schön, zu sehen, wie sich die Patienten während ihres Aufenthalts durch die eigene Arbeit stabilisieren und wieder neuen Mut und Kraft für ihren weiteren Lebensweg schöpfen. Viele blicken am Ende ihrer Behandlung zurück und fühlen sich viel belastbarer und selbstsicherer als noch zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme.

Welche Rolle spielt Bewegung in Ihrem Leben?

Bewegung ist meine große Leidenschaft – privat wie beruflich. Ich bin unglaublich dankbar für die Chance, diese Leidenschaft hier jeden Tag mit anderen teilen zu dürfen. Es ist mir jeden Tag aufs Neue eine Freude, Menschen mit meiner Begeisterung für das Medium der Bewegung anstecken zu dürfen. Und das noch in diesem wundervollen Ambiente mit den Weinbergen ringsherum und dem Park direkt vor der Haustür – das hat natürlich nochmal seinen ganz speziellen Reiz. 

Von Yin Yoga bis Bogenschießen

Wie dürfen wir uns eine typische Stunde in der Sport- und Bewegungstherapie der Schlosspark Klinik Dirmstein vorstellen?

Wir haben hier ein sehr breit gefächertes Therapieangebot, das im sportlichen Bereich im Wesentlichen auf drei Säulen aufbaut: Zum einen aktivierende, kräftigende Bewegungsangebote. Die zweite Säule bilden Bewegungsangebote zur Konditions- und Ausdauerförderung und die dritte Säule die Entspannung und das regulierende Angebot zur Unterstützung der Körperwahrnehmung, zur Dehnung und zur Entlastung. Zu letzterem zählt etwa das Yin Yoga, ein sehr ruhiges und passives Yoga, bei dem es darum geht, in der Haltung zu verweilen, um tiefliegende Verspannungen und Blockaden zu lösen.

  • Zu den ausdauerbetonten Bewegungseinheiten zählt beispielsweise das Nordic Walking. Hier werden unter anderen diejenigen, die mit großer Erschöpfung in der Klinik ankommen, konditionell aufgebaut, um die allgemeine Leistungsfähigkeit und die Grundlagenausdauer zu steigern und den Kreislauf in Schwung zu bringen.
  • Dann gibt es noch die Wirbelsäulengymnastik oder auch allgemeine Gymnastik, bei der Körperhaltung, Körperspannung und Koordination im Fokus stehen und es darum geht, wieder ein Gespür für den eigenen Körper und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen. Viele kommen beispielsweise hier an und sagen direkt: „Das kann ich nicht“. Aber genau dort setzt Sport an, dass man sich den Ist-Zustand anschaut, ihn annimmt, und sich über die Wochen des Aufenthalts erlaubt, Veränderungen zu erreichen und Fortschritte zu machen. 
  • Über Gymnastik oder auch Wassergymnastik lässt es sich auch mal spielerisch mit anderen in Kontakt kommen oder einfach mal auspowern.
  • Zusätzlich bieten wir mit Faszientraining und Yoga, wo das System des Bindegewebes im Fokus steht, noch einen guten Ausgleich zum restlichen Programm an. Dieses typische „ich fühle mich innen und außen frei“, das ist auch eine Leistung des Bindegewebes. Da eine Entspannung des Bindegewebes auch immer eine Entspannung des Nervengewebes zur Folge hat, kommt ihm gerade in puncto Wohlbefinden eine tragende Rolle zu. 
  • Auch das Bogenschießen fällt in meinen Bereich: ein Angebot, das die Patienten sehr gerne nutzen. Hier geht es nicht um den sportlichen Aspekt, sondern vor allem um den achtsamen und körperbetonten Faktor – das sogenannte intuitive Bogenschießen. Unsere Bögen unterscheiden sich insofern von solchen für das Sportschießen, dass sie kein Visier und keinen Stabilisator besitzen. Beim intuitiven Bogenschießen geht es in erster Linie um das eigene Erleben, um Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Also alles, was vor dem eigentlichen „Lösen des Pfeils“ passiert und dem, was man dem Pfeil mitgibt an Kraft, Spannung und Aufmerksamkeit. Treffen ist dann trotzdem möglich, aber nicht allein vom Zielen abhängig, sondern davon, wie man sich mit der Zeit mehr und mehr auf das Schießen einlässt.
  • Für Patienten mit zusätzlicher physiotherapeutischer Indikation, besteht die Möglichkeit einer physiotherapeutischen Einzeltherapie. Patienten mit beispielweise orthopädischen, neurologischen oder internistischen Begleiterkrankungen werden hier mithilfe verschiedener Maßnahmen behandelt und unterstützt. Mal können Kopfschmerzen Thema sein oder das Erarbeiten eines individuellen Trainingsplans.

„Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper“…

… besagt ein altes lateinisches Sprichwort. Wie zeigt sich Ihrer Meinung nach hier die Kausalität? Kommen zuerst die psychischen Probleme und daraus resultierend eine geringe sportliche Aktivität oder verhält es sich genau andersherum? 

Der Weg geht in beide Richtungen. Wir haben auf der einen Seite Patienten, die mit chronischen Schmerzen aufgrund körperlicher Einschränkungen hier ankommen. Da leidet die Psyche natürlich irgendwann mit. Andererseits haben wir aber auch Patienten, die in ihrem Leben vielen psychischen Belastungssituationen ausgesetzt waren und daraus resultierend körperliche Symptome entwickelt haben.

Mit dem richtigen Maß an Bewegung den Stresspegel senken

Inwieweit hilft Bewegungs- oder Physiotherapie bei Depressionen bzw. Burnout-Erkrankungen?

Patienten sind häufig in keinem guten physischen und psychischen Allgemeinzustand – Bewegungstherapie ist gerade deswegen ein wichtiger Baustein der stationären Therapie, weil Patienten mit depressiver Symptomatik häufig durch Rückzug und Bewegungsmangel belastet sind. Sport und Bewegung unterstützt zum einen die körperlichen Funktionen, wirkt sich aber auch positiv auf die Psyche aus – steigert Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, verringert aber auch Ängste und Konzentrationsschwäche. Ziel ist es, Bewegung als Ressource in den eigenen Alltag zu integrieren.

Bewegungs- und Wahrnehmungsübungen schärfen aber auch den Blick nach „innen“ und schulen die Selbstwahrnehmung hinsichtlich der eigenen Grenzen, um diese zu wahren und Warnsignale des eigenen Körpers erkennen und deuten zu können.

Wie wirkt sich Sport- und Bewegungstherapie auf innere Anspannung aus?

Grundsätzlich ist es so, dass Bewegung einen positiven Effekt auf Stress und innere  Anspannung hat. Durch Sport und Bewegung werden die für den Stress verantwortlichen Hormone im Körper abgebaut und deren Ausschüttung auf Dauer verringert. Daher wirkt sich regelmäßige Bewegung positiv auf die Stressresistenz aus. Erneut ist es unser Ziel, die Patienten dahin zu führen, dass Bewegung ein fester Bestandteil ihres Alltags wird und gemeinsam mit ihnen Routinen zu entwickeln, die sich später gut in das eigene Leben integrieren lassen. Hier muss – wie so oft im Leben – jeder seinen eigenen Weg und sein eigenes Maß finden.

Ist es eher so, dass die Patienten sich selbst überschätzen und ihre Grenzen überschreiten, oder verhält es sich häufiger so, dass die Komfortzone erst gar nicht verlassen wird?

Das ist sehr unterschiedlich. Die einen sind eher vorsichtig und trauen sich anfangs wenig zu. Diese Patienten brauchen Zeit und ihr eigenes Tempo, um ihr Selbstvertrauen aufzubauen und Selbstwirksamkeit zu erfahren. Und dann gibt es andererseits Patienten, die ständig über ihre Grenzen hinweggehen. Es gibt gerade im Sport auch ein zu viel – zu viel an Kraft, zu viel an Intensität, zu viel an Dehnung. Den Körper ständig an Belastungsgrenzen zu bringen, ihm mehr abzuverlangen als er zu geben in der Lage ist, schadet dauerhaft der Gesundheit. Unsere Aufgabe ist es, den Patienten eine Sensibilität für den eigenen Körper zu vermitteln. Wenn der Körper sich sträubt gegen das, was man ihm abverlangt, dann wird er sich schützen und so entstehen Verletzungen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch ein Gespür für den eigenen Atem: Dieser darf immer ganz natürlich fließen und je nach Belastung auch mal intensiver. Wenn der Atem stockt oder angehalten wird ist das meist ein Zeichen dafür, dass irgendetwas nicht stimmig oder zu viel ist.

Haben Sie einige Tipps für unsere Leser? Wie oft sollte man sich zum Beispiel sportlich betätigen?

Ich halte mich hier gerne an die WHO. Die Weltgesundheitsorganisation gibt dazu eine klare Empfehlung herausraus: Und zwar von 150 Minuten bis zu 300 Minuten pro Woche moderater Bewegung. Also beispielsweise Schwimmen, Radfahren, Wandern, alles wobei man sich kontinuierlich bewegt und dennoch nicht „schnaufen“ muss. Alternativ 75 bis 150 Minuten wöchentlich intensivere Bewegungseinheiten, wie z.B. Joggen. Für eine ausreichende Regenration sollte man ein bis zwei Tage Pause einlegen. Es ist wichtig ein Pensum zu finden, dass sich gut in den eigenen Alltag integrieren lässt. Hier in der Klinik haben die Patienten in der Regel ein bis zwei kürzere Bewegungseinheiten täglich. Dieser Umfang lässt sich im Alltag meist nicht neben Arbeit, Familie und Co. stemmen. Die Empfehlungen der WHO halte ich dagegen für sehr realistisch und machbar. Zusätzlich ratsam wären zweimal wöchentlich ein muskelbetontes Training. Hier muss jeder schauen, was zu ihm passt und was ihm guttut und sich selbst fragen: Wobei habe ich Freude und Motivation? Natürlich geht es beim Sport nicht immer nur um Spaß, aber er sollte auch nicht zur Qual werden. Häufig kann es schon reichen, seine täglichen Wege zu hinterfragen: muss es immer das Auto sein oder kann ich auch auf das Rad zurückgreifen? Bewegung fängt im Kleinen an, nicht damit, dass man die Sportmatte rausholt. Dabei ist es ratsam, sich öfter mal zwischendurch zu bewegen, als ein oder zweimal pro Woche extrem ausufernde Einheiten abzuarbeiten.

Marie Maschke | Bewegungstherapeutin | Schlossparkklinik Dirmstein

Frau Maschke, vielen Dank für das Interview!