Jung, erfolgreich, depressiv

Junge Erwachsene werden in unserer Gesellschaft mit jugendlicher Energie, Engagement und Erfolg sowie mit Attraktivität und Gesundheit assoziiert. Doch viel häufiger als vermutet, verbirgt sich hinter der kraftstrotzenden Fassade ein Schatten auf der Seele: Depressionen, Burnout und andere psychische Erkrankungen können auch in jungen Jahren des Erwachsenenalters als schwere Bürde Begleiter sein. 

All Time High beim Krankenstand 

Dass die Zahl psychisch erkrankter junger Erwachsener in den vergangenen Jahren massiv zugenommen hat, belegt der aktuelle Fehlzeitenreport 2023[1] der AOK Rheinland/Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF-Institut). Die Auswertung der Daten von mehr als 300.000 berufstätigen Versicherten unter 30 Jahren ergab: nie zuvor verzeichnete die Generation Z einen so hohen Krankenstand wie 2022. Im Durchschnitt fiel diese Altersgruppe rund 19 Kalendertage aus. Auch insgesamt hat sich der Krankenstand deutlich erhöht und verzeichnete einen Höchstwert seit Beginn der Fehlzeiten-Analyse im Jahr 1998: Fehlten 2022 im Schnitt täglich 6,7 Prozent der Beschäftigten, waren es im Jahr zuvor noch 5,7 Prozent. Bei den unter 30-jährigen fiel der Anstieg des Krankenstandes deutlich höher aus: von 3,65 Prozent in 2021 auf 5,18 in 2022. [2]

Psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch

Vor allem die Zahl der Fehltage wegen seelischer Beschwerden nahm zu. Diese landeten mit 10,3 Prozent auf Platz 3 der dominierenden Krankheitsarten, was im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 48 Prozent bedeutet. Mit einer durchschnittlichen Fehlzeitendauer von 29,6 AU-Tagen je Fall schlagen diese zudem wesentlich stärker zu Buche als beispielsweise die, auf der Pole Position befindlichen, Atemwegserkrankungen (17,5 %) mit 7,1 durchschnittlichen Fehltagen. Zumal darüber hinaus von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist, da psychische Erkrankungen zu Beginn nicht selten unerkannt bleiben oder von den Betroffenen andere Diagnosen „vorgeschoben“ werden. 

Im Jahr 2023 verzeichnet der prozentuale Anteil psychischer Erkrankungen einen weiteren Anstieg, wie der erst kürzlich erschienene DAK-Fehlzeitenreport zeigt.

Ausgebrannt – Leistungsdruck für den Karriereweg

„Wir stellen fest, dass bei der jüngeren Generation vor allem Angststörungen, Belastungsstörungen und depressive Störungen signifikant zunehmen“, warnt Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg. Das sei möglicherweise auch auf Zukunftsängste, Leistungsdruck und eine permanente Erreichbarkeit zurückzuführen.

Die Welt von jungen Erwachsenen ist zumeist von hohem Leistungsdruck geprägt, der mit gravierenden Veränderungen in der Lebensgestaltung einhergeht. Das Studium oder die Ausbildung in der neuen Stadt, ein neues persönliches Umfeld und der Wunsch, im neuen Job herausragende Leistungen für die Karriere zu liefern, erfordern neue, oft individuelle Tagesstrukturen, die erst gefunden werden müssen. Die zunehmende Aufsplittung der familiären Strukturen (Wegzug von den Eltern, aus der Heimatstadt, vom Freundeskreis) lässt die gewohnte Stabilität und (Selbst-)Sicherheit bröckeln. Der Wunsch, das eigene Leben nun als Erwachsener immer gut und eigenständig im Griff zu haben, kann somit in vielerlei Hinsicht zu einer Selbstüberforderung durch die hohen Ansprüche an sich selbst führen.

Prävention schon vor der ersten depressiven Episode

Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Insgesamt sind 8,2 Prozent[3], d. h. 5,3 Mio. der erwachsenen Deutschen (18 – 79 Jahre) im Laufe eines Jahres an einer unipolaren oder anhaltenden depressiven Störung erkrankt, Tendenz stark steigend. Auch bei Kindern und Jugendlichen gibt es eine wachsende Zahl an Betroffenen von psychischen Erkrankungen, die durch die immer schnelllebigere und anspruchsvoller werdende Alltagsstruktur belastet sind. Je früher die erste depressive Episode eintritt, umso größer ist die Gefahr, ohne adäquate Behandlung auch im späteren Leben neu oder dauerhaft zu erkranken. 

Sollten Sie Ihr ganzes Leben noch vor sich haben, aber Anzeichen von Depressionen oder Burnout bei sich entdecken, scheuen Sie sich nicht, rechtzeitig die richtige Unterstützung durch Ihren Arzt oder Therapeuten in Anspruch zu nehmen. Wenn scheinbar grundlose Traurigkeit, Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Unzulänglichkeit, Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit oder die Empfindung von Überlastung, Angst oder innerer Leere auftreten, sprechen Sie zeitnah mit Ihrem Arzt. Dieser kann Ihnen eine Überweisung zum Therapeuten geben, der mit Ihnen zielführende Strategien aus den vorliegenden Situationen erarbeiten kann – für eine gesunde Zukunft ohne psychische Erkrankungen.


[1] https://www.aok.de/fk/betriebliche-gesundheit/grundlagen/fehlzeiten/ueberblick-fehlzeiten-report/

[2] https://www.spiegel.de/start/generation-z-junge-beschaeftigte-fallen-immer-haeufiger-aus-a-4a8dbc29-601f-4f22-a2b4-2266c98bbb8a

[3] Jacobi et al., 2016