Das verzerrte Bild psychischer Erkrankungen in der Öffentlichkeit

Wir leben in einer aufgeklärten Welt mit einem hohen und breitgefächerten Informationsfluss. Und wir denken, wir sind über alles gut informiert. Im Fall von psychischen Erkrankungen halten sich jedoch hartnäckige Vorurteile und Halbwahrheiten. Viele Erkrankungen der Psyche werden tabuisiert. Man möchte sie verstecken, für sich behalten und bloß nichts nach „außen“ dringen lassen. Was sollten denn die Nachbarn, die Kollegen, die Freunde im Verein denken!?

Darüber spricht man nicht …

„Du warst in der Klapsmühle?“ – Schon der abfällige Unterton in diesem Satz bereitet Unbehagen. Sie vermittelt einen Ort für Menschen mit Inkompetenz und Schwäche darzustellen, statt Hilfestellung in einer schwerwiegenden Gesundheitsproblematik. Lange Zeit wurden Menschen mit psychischen Erkrankungen einfach „weggesperrt“, ihnen die Autonomie genommen und mit körperlichen Sanktionen bis hin zur Lobotomie die Erkrankung „ausgetrieben“. Einmal in der Psychiatrie war ein Entrinnen in ein „normales Leben“ kaum mehr möglich. Die Betroffenen konnten somit nicht mehr darüber reden, das Umfeld schwieg sich aus. Familienmitglieder in der psychiatrischen Klinik wurden nicht selten verheimlicht, um den „guten Ruf“ zu wahren.

Die menschenverachtenden Behandlungsmethoden und Umgangsformen sind heute glücklicherweise abgeschafft. Die moderne Psychiatrie hat mit ihnen nichts mehr zu tun. Stattdessen bietet sie individuelle Hilfestellung mit vielfältigen Therapien. Je nach Art der Erkrankung kann die Therapie ohne Medikamente auskommen. Bisweilen kann erst durch deren Unterstützung die Lebensqualität für den Menschen zurückgewonnen werden. Doch die Stigmatisierung in den Köpfen ist geblieben. Über psychische Erkrankungen „spricht man nicht“.

Die große Ausnahme: Burn-Out. Die Bezeichnung, die als Synonym für eine Erschöpfungsdepression häufig im Rahmen von Überarbeitung entsteht, ist laut der Hernstein-Studie 2017 regelrecht „salonfähig“, da sie als das Resultat von hohem Engagement und Fleiß gilt. Dennoch sehen über 40 % der Führungskräfte auch in dieser Variante der psychischen Erkrankung ein Zeichen von Schwäche und mangelnder Leistungsfähigkeit. Doch wir leben in einer Leistungsgesellschaft, wie uns in den Medien gerne farbenfroh präsentiert wird.

Fatales Zerrbild in den Medien

Die Gesellschaft hat ganze Arbeit geleistet und hält in den Medien unserer modernen Welt gerne am „schönem Schein“ fest. Die Schönen und Reichen strahlen miteinander um die Wette, um als leuchtendes Vorbild für den normalen Menschen zu dienen. Dieser strebt nach Glück, Erfolg und Zweisamkeit, nach Zufriedenheit und Weltfrieden. Die glückliche Familie, das verliebte Paar, die erfolgreichen Karrieremenschen lächeln uns in den Medien entgegen.

Für psychische Erkrankungen ist in dieser Welt kein Platz. Und wenn doch, dann nur, um die Skandale und Skandälchen der Celebrities zu begründen. Oder noch schlimmer: In direkter Verbindung mit Unglücksfällen und tragischen Ereignissen. Man denke nur an den Flugzeugabsturz der German-Wings-Maschine im Jahr 2015 sowie die Amokläufer von Ansbach und München. Diese Verbindung zwischen Extremsituationen und psychischen Erkrankungen erschweren den Abbau von Vorurteilen vehement.

Fakten schaffen, Vorurteile abbauen

Glücklicherweise wandelt sich das Bild der psychischen Erkrankungen seit einigen Jahren. Und auch, wenn das Leistungsprinzip noch immer im Mittelpunkt des Alltages steht, sind heute Aspekte wie eine gute Lebensqualität, eine ausgewogene Work-Life-Balance und der Wert der psychischen wie der physischen Gesundheit so präsent wie wohl nie zuvor. Das Bewusstsein für Selbstwert und Selbstfürsorge wächst und sorgt für eine schrittweise Ent-Tabuisierung der Problematik von psychischen Erkrankungen.

Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit, die Deutsche Depressionshilfe und auch private Vereinigungen wie Selbsthilfegruppen nutzen die modernen wie die klassischen Medien, um auf die Problematik der Erkrankten aufmerksam zu machen und das Bild der Erkrankungen in der Öffentlichkeit zu verändern. Ein schönes Beispiel hierfür ist das Projekt „Depression hat ein Gesicht“, die jeden Betroffenen einlädt, sich an der Beendung einer Stigmatisierung der ernsten Erkrankung zu beteiligen.

Psychische Erkrankungen können jeden Menschen treffen. Es trifft arme und reiche Menschen, Alte und Junge sowie Frauen und Männer. Helfen auch Sie mit und werfen Sie Ihre Vorurteile über Board, indem Sie sich über diese Erkrankungen informieren. Denn nur, wenn auch Sie typische Symptome kennen, können Sie erkrankte Menschen auf Ihre Beobachtung aufmerksam machen und anschließend durch die Motivation zu einem Arztbesuch unterstützen, zu genesen.