Schlaflosigkeit ist für viele eine leidvolle Angelegenheit. Gleichzeitig aber kann Schlafentzug Depressionen bessern. Dass Wachtherapie eine mögliche Therapieform darstellt, könnte nicht stärker verwundern. Wie Wachtherapie funktioniert und wann der kontrollierte Schlafentzug tatsächlich helfen kann, lesen Sie in diesem Artikel.

Depressionen und Schlafstörungen: Wo setzt die Wachtherapie an?

Schlafstörungen und Schlaflosigkeit gehen oft Hand in Hand mit einer Depression. Zum einen können dauerhafte Probleme beim Ein- und Durchschlafen die Entstehung von Depressionen begünstigen: Studien geben Hinweise auf ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko gegenüber Menschen mit ungestörtem Schlaf. Gleichzeitig zeigen sich Schlafstörungen auch als klassisches Symptom der Depression. Von der psychischen Erkrankung Betroffene stehen selbst im Bett noch unter permanenter Anspannung. Sie weisen neben einem tags wie nachts hohen Spiegel des Stresshormons Kortisol eine regulative Störung des Arousals auf. In ihrem Fall ist das Arousal-Level, d.h. der Aktivierungsgrad des zentralen Nervensystems, auch nachts stabil hoch. Bedeutet: Aufmerksamkeit und Wachheit selbst zu später Stunde. Gelingt es dem Erkrankten endlich einzuschlafen, ist sein erster Tiefschlaf in der Regel verkürzt. Ob dieses spezielle Phänomen den Schlaf spürbar beeinträchtigt, ist unklar. Fakt ist: Wer an einer Depression leidet, wacht oft häufiger auf und schläft weniger tief.

Schlafentzug bei Depressionen: Was ist eine Wachtherapie?

Warum die Wachtherapie Depressionen verbessert, wird immer klarer

Gerade der Versuch zur Ruhe zu kommen und sich selbst „herunterzufahren“, aktiviert bei Menschen mit Depression und Schlafstörungen, jene Mechanismen, die ihn wach halten. Schlaffördernde Prozesse sind reduziert. Möchte der Patient tatsächlich zum Schlafen kommen, muss er paradoxerweise gerade das Gegenteil tun – und wach bleiben. Genau das ist der Fall beim kontrollierten Schlafentzug, wie er im Rahmen der Wachtherapie bei Depressionen zum Einsatz kommt.

Wie läuft die Wachtherapie bei einer Depression ab?

Das Konzept der Wachttherapie ist denkbar einfach: Schlafhemmende Mechanismen, die beim Versuch einzuschlafen anspringen, werden durch den Schlafentzug ausgehebelt. Stattdessen fahren schlaffördernde Prozesse bei aktiver Wachheit hoch. Bei der Wachtherapie muss der an einer Depression Erkrankte also nichts Anderes machen, als wach zu bleiben und sich zu beschäftigen. Ob er zu einem nächtlichen Spaziergang aufbricht oder sich angeregt mit anderen Patienten unterhält, Radio hört oder etwas spielt. Tatsächlich verspürt laut Studien mehr als die Hälfte der Patienten nach so einer „durchzechten“ Nacht eine deutliche Verbesserung ihrer Stimmungslage.

Verbessert Schlafentzug Depressionen nachhaltig?

Gerade abends, wenn Betroffene nach einem Tag voller Aktivitäten, der ihnen viel Aufmerksamkeit abverlangte, müde sind, hebt sich bei Betroffenen die Laune und die Symptome ihrer Depression bessern sich. Darum kann auch eine körperlich anstrengende und folglich ermüdende Aktivität wie Sport gegen Depressionen helfen.

Ungewollter Schlaflosigkeit nervt, doch kann kontrollierter Schlafentzug Depressionen bessern.

Eine Wachttherapie nach diesem Prinzip wird in manchen stationären Behandlungen mitunter mehrmals in der Woche durchgeführt, wirkt aber nur zeitlich begrenzt: Bis zur nächsten regulären Nachtruhe. Doch allein die Erfahrung, selbst bei einer starken Depression durch den Schlafentzug eine schnelle Verbesserung ihrer Symptome herbeiführen zu können, verschafft Betroffenen ein Erfolgserlebnis und gibt ihnen Hoffnung. Therapeuten bestätigen, dass sich oft schon diese Erkenntnis günstig auf den Krankheitsverlauf auswirkt.

Was Betroffene einer Depression aus der Wachtherapie lernen können

Natürlich kann das hier keine Anleitung zur Wachtherapie sein und nicht gleich jeder an einer Depression Erkrankte sollte ohne fachärztliche Aufsicht einen kontrollierten Schlafentzug praktizieren. Dennoch lassen sich wertvolle Erkenntnisse aus der Wirkungsweise der Wachtherapie und den Erfahrungen von Patienten ziehen. So erscheint es depressiv Erkrankten, die schlecht geschlafen haben, naheliegend, sich tagsüber hinzulegen, um Schlaf nachzuholen. Oft verschlechtert sich ihre Stimmung dadurch aber. Je stärker sie versuchen zur Ruhe zu kommen, desto eher werden sie wach liegen bleiben und sich über den ausbleibenden Schlaf ärgern und ihn zu „erzwingen“ versuchen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Mitunter kann es sein, dass sich die Stimmung der Erkrankten bessert, wenn sie in Summe etwas weniger schlafen bzw. weniger oft/lange versuchen, im Bett liegend in den Schlaf zu kommen. Um dies besser beurteilen zu können, ist es hilfreich, nach dem Aufwachen die eigene Stimmung zu dokumentieren sowie festzuhalten, wie viele Stunden über den gesamten Tag hinweg geschlafen wurde. Vielleicht fällt Ihnen auf, dass in Ihrem Fall weniger mehr ist. Möglicherweise treten auch deshalb so oft Schlafstörungen als Symptom einer Depression auf, weil der Körper in einer Art „Selbstregulation“ versucht, über ebendiesen Schlafentzug eine Stimmungsverbesserung herbeizuführen.

Was neben dem Schlafentzug bei Depressionen hilft

Bewegung ermüdet. Das hilft Schlafstörungen bei Depressionen vorzubeugen

Der kontrollierte Schlafentzug bei einer Wachtherapie bietet sich vor allem als komplementäres Verfahren in der Behandlung von Depressionen an. Eine Psychotherapie, gegebenenfalls in Kombination mit der Einnahme von Medikamenten, kann die Wachtherapie aber nicht ersetzen. In der Schlossparkklinik Dirmstein werden beispielsweise neben mehrmals wöchentlich stattfindenden therapeutischen Einzel- und Gruppengesprächen ergänzende Behandlungsverfahren wie Lichttherapie und Bewegungstherapie angeboten. Wie diese genau wirken, erfahren Sie in unserem Therapieangebot und weiterführenden Blogartikeln!

Dieser Artikel wurde überarbeitet und erschien erstmals am 25. Februar 2019.